Schatzkammer Alverskirchen

Gläubigen den Kreislauf des Jahres ab, in den Farben macht die Liturgie „das ganze Mysterium Christi von der Menschwer- dung und Geburt bis zur Himmelfahrt, zum Pfingsttag und zur Erwartung der seligen Hoffnung und Ankunft des Herrn“ sichtbar (II. Vatikanum, Liturgiekonstitu- tion Nr. 102). Abgestimmt mit den Textil- ien werden auch die Gefäße gezeigt. Nicht zuletzt wird in diesem Rahmen auch die restaurierte Kirchenkrippe aus dem Jahr 1886 präsentiert. Die Kunst kultiviert unsere Sinnlichkeit, beschenkt unsere Augen und Ohren mit Nie-Gesehenem und Ungehörtem, beein- druckt unser Gemüt und erweitert unser Denken. Sie lehrt uns denken und fühlen. Die Exponate zeigen uns in Bildern Glau- bens- und Seelenlandschaften. Wir Chri- sten müssen das Schauen stets üben, müssen mit Architektur, Gemälde, Skulp- turen, Filmarbeiten, Textilien, Gefäße, mit Licht, Farben und Formen umgehen ler- nen, müssen die Bilder der Bibel als poeti- sche Bilder ernst nehmen und nicht gleich auf Begriffe bringen. Die Schatzkammer beherbergt somit ein Erkenntnispotential für das, was der Glaube sichtbar machen will. Sie steht nicht primär da, um den Glauben nach außen ansprechender dar- zustellen – im Sinne einer Warenästhetik, die etwas besser verkaufen will. Die Schatzkammer dient vielmehr dazu, die schöpferische Kraft der Kunst für den Glauben zu gewinnen und ihn so auf der Höhe der Zeit zu erneuern. Das Christli- che braucht die Kunst. Der Glaube sucht die Ästhetik. Und gerade deshalb braucht es auch eine Propädeutik existentiellen Sehens. Seh-Schulen, die sich diesem Anliegen verpflichtet wissen. 13 Exponate auch eine Tür zur eigenen Hei- matgeschichte. Die Kult- und Kunstgüter führen ihn dazu, nach den Menschen, die in unmittelbarer Verbindung mit den Exponaten stehen, zu fragen. Es sind Menschen, die in Alverskirchen, vom Glauben inspiriert, gelebt und gearbeitet haben. Die Schatzkammer gibt Zeugnis von dem Glaubenssinn der Alverskirchener Vor- fahren, der wie alle Lebensäußerungen historisch bedingt ist. In den Exponaten kommen die Kunstrichtungen ihrer je- weiligen Gegenwart, von der Romanik über die Barockzeit, die Neoromanik und Neogotik bis ins 20. Jahrhundert zum Ausdruck. Bereits durch die Raumgestal- tung der Schatzkammer hat die moderne Architektur in höchster Perfektion Einzug in den Kirchenraum genommen. Die verschiedenen Kunstrichtungen zei- gen, dass Alverskirchener Vorfahren nur das Allerneueste, die Spitze der Avant- garde, der Technologie und der bildenden Kunst der jeweiligen Zeit nach Alverskir- chen geholt haben. Nur das war gut ge- nug für die sichtbaren Formen unseres Glaubens. Ihre Haltung soll uns heute einschärfen, die zeitgenössische Kunst nicht zu vergessen, sie nicht zu ignorie- ren! „Die Ehre Gottes, die Heiligung sei- nes Namens, die Liebe zu Gott stellen höchste Ansprüche an die sichtbare Form unseres Glaubens, unseres Feierns. Dafür genügen die überlieferten Formen bei allem Reichtum [und bei aller Schönheit] nicht“ (P.B. Steiner). Gottesdienst ist nicht etwas Historisches, nicht eine schöne Vergangenheit. Er will uns nicht in den Barock oder ins Mittelalter zurückverset- zen. Künftige Anschaffungen oder Stif- tungen (seien sie Skulptur, Malerei, Gerät oder Gewand) müssen das berücksichti- gen. Auch mit der jeweiligen Moderne können wir das Höchste und den Höch- sten feiern! Wir Christen müssen auch heute auf allen Ebenen der Kunst mit der Entwicklung der ästhetischen Maßstäbe mithalten, müssen uns informieren und bilden. Die Andachtsbilder der Gegenwart stehen in profanen Räumen, städtischen Galerien, Kunsthallen, aber nicht in Kir- chen! Unsere alte Kirche in Alverskirchen hat einen Maßstab der ästhetischen Qua- lität gesetzt, hinter dem wir auch heute nicht zurückbleiben dürfen. „Epoche machend ist eine Kunst, die der Welt eine neue Seite abgewinnt und somit die Welt durch eine neue Art der Anschauung bereichert“ (K. Fiedler). Wir brauchen auch Formen aus dem Geist unserer Zeit, in denen sich die Menschen unserer Zeit wiederfinden. Die Schönheit erfreut uns nur imWandel. Das Gleichbleibende kann noch so schön sein, es wird dennoch nicht mehr wahr- genommen. Darum muss das, was als Schönes beeindrucken soll, sich stetig wandeln. Unsere Sinne halten das Schö- ne nicht fest, weil sie auf die Wahrneh- mung des Flüchtigen angelegt sind. Man kann zum Schönen immer wieder zurück- kehren, aber nicht in ihm verweilen. Unser optisches Vermögen bildet sein Urteil vor dem Hintergrund unserer vi- suellen Erinnerungen. Dazu kann man das Auge schulen. All dem trägt das Pro- gramm der Alverskirchener Schatzkam- mer durch Wechselausstellungen Rech- nung. Paramente werden nach den Far- ben des liturgischen Jahreskreises prä- sentiert. Denn an den Farben lesen die 12

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