Schatzkammer Alverskirchen
Nr. 8). Aufgrund des Vorhandenseins der Stadtmarke (Lohaus wird 1840 Bürger der Stadt Münster) können diese Stücke erst bald nach 1840 entstanden sein. 10 1842 erhielt die Kirche zehn, aus dieser Zeit selten erhaltene, in einem barocki- sierend-biedermeierlichen Stil gefertigte, vergoldete Messingleuchter, sechs für den Hochaltar und je zwei für die Neben- altäre (Kat.-Nr. 14), die inschriftlich als Stiftung der Eheleute Friedrich von Höff- linger (1769-1861) und Anna von Höfflin- ger, geb. von. Wintgen (1789-1852) nach- gewiesen sind. Den unglaublich umwälzenden stilisti- schen Wandel hin zur Neugotik (1848 Grundsteinlegung zum Weiterbau des gotischen Kölner Domes) markiert ein in der Meisterwerkstatt des Rasmus Wil- helm Bruun (1814-1889) 11 aufwendig im neugotischen Stil gefertigter (siehe Mei- stermarke: R.Bruun), und 1862 zum 50- jährigen Ortsjubiläum dem Pfarrer Lo- haus von den Priestern des Dekanates geschenkter Kelch (Kat.-Nr. 2), mit dem er immerhin noch 15 weitere Jahre das Messopfer für die Gemeinde feiern konn- te. Nicht mehr Klassizismus und Bieder- meier, wie noch 1840/42, sondern bereits ausgereifte neugotische Formen prägen dieses Stück des Schatzes. Das große neugotische Ziborium (Kat.-Nr. 5), ein später leihweise der Kirche über- lassener Primizkelch (Kat.-Nr. 3) in neoro- manischen Formen, ein neugotisches Weihrauchfass (nicht ausgestellt), die neu- gotische Tauf-/Lavabogarnitur (Kat.-Nr. 9) und neugotische Messingleuchter (Kat.- Nr. 15) für den 1890 geweihten neugoti- schen Hochaltar ergänzen den älteren Bestand und sind typisch für die große Restaurierungswelle im kirchlichen Be- reich der Jahrhundertwende um 1900. Zeichen für einen erstarkenden Katholi- zismus, aber auch zeichenhaft für ein enormes Wirtschafts- und Bevölkerungs- wachstum am Ende eines schwierigen, von Säkularisation, Zerschlagung kirch- licher Strukturen, evangelischer Oberho- heit, Verarmung und Kulturkampf ge- prägten 19. Jahrhunderts. Die hier ausgestellten Objekte sind aus dem liturgischen Leben der Gemeinde nicht wegzudenken, denn sie sind zentra- le Objekte der katholischen Liturgie, ohne die eine Feier der Eucharistie und der aus- deutenden Riten nicht möglich ist. Gleich- zeitig begleiten diese Objekte das Leben des Christen von der Taufe (Salbung mit Öl, Taufe mit dem Wasser des Lebens) durch alle Lebensphasen, bis hin zum Tod (Krankensalbung, Krankenkommunion). 1 Vgl. Hermann DEPENBROCK, Zur Geschichte des Dorfes Alverskirchen, in: PFARRGEMEINDE ST. AGATHA (Hg.), St. Agatha Alverskirchen. Eine Pfarrgemeinde im Münsterland, Münster 2002, S. 75-78, hier S. 75. 2 Vgl. Die Geschichtsquellen des Bistums Münster, Band 3, Münster 1856, S. 130-141. 3 Vgl. Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen, Band 5: Kreis Münster-Land, bearb. von A. LUDORFF / A. WESKAMP, Münster 1897, S. 22. 4 Vgl. Beate Sophie FLECK, Schlaglichter aus der Geschichte der Pfarrei, in: PFARRGEMEINDE ST. AGA- THA (Hg.), St. Agatha Alverskirchen. Eine Pfarrgemein- de im Münsterland, Münster 2002, S. 41-74, hier S. 53. 5 Vgl. Pfarrchronik der Pfarrgemeinde St. Agatha Alvers- kirchen 1877-1975, hier Zeitungsartikel im münsteri- schen Anzeiger vom 01.09.1891. 6 Vgl. Hector SANCHEZ, Der Pfarrklerus von Alverskir- chen, (in Vorbereitung). 7 Pfarrchronik der Pfarrgemeinde St. Agatha Alverskir- chen 1877-1975, Nr. 1. 8 Vgl. Wolfgang SCHEFFLER, Goldschmiede Rheinland- Westfalens. Daten, Werke, Zeichen, Band 2, Berlin/New York 1973, S. 852. 9 Vgl. Hector SANCHEZ, Der Pfarrklerus von Alverskir- chen, (in Vorbereitung). 10 Vgl. Pfarrchronik der Pfarrgemeinde St. Agatha Alvers- kirchen 1877-1975, Nr. 133; Karl SCHULTE, Von Alvins- kerken bis Alverskirchen, Heft 4: Haus Brückhausen. Ein Herrensitz bei Alverskirchen, Alverskirchen 1994, S.29ff. 11 Vgl. Wolfgang SCHEFFLER, Goldschmiede Rheinland- Westfalens. Daten, Werke, Zeichen, Band 2, Berlin/New York 1973, S. 855-56. 17 16). Beide Stücke verweisen ganz dezi- diert auf den priesterlichen Dienst am Altar (Kelch) und den Dienst an den Men- schen, Spendung der Kommunion als Stärkung in Krankheit und Spendung der Krankensalbung bei nahendem Tod (Ver- sehkreuz). Ein wichtiger Nachweis für das Fehlen weiterer älterer Stücke ist die für 1795 überlieferte Nachricht von einem unge- heuerlichen Frevel, nämlich der Berau- bung des Schatzes durch die Diebesban- de um den berüchtigten Josef Seruns, die im gesamten Münsterland ihr Unwesen trieb. Gestohlen wurden damals zwei Kel- che und eine vergoldete Kupfermon- stranz mit silbernem Strahlenkranz, wohl eine im 17. Jahrhundert angeschaffte barocke Sonnenmonstranz 5 , deren Futte- ral (Leder/Holz/Pappe) erhalten geblie- ben ist. Als Ersatz für die geraubte Mon- stranz erhielt die Kirche bald darauf die heute noch vorhandene frühklassizisti- sche Monstranz (Kat.-Nr. 4), die allerdings im Aufbau und in der Durcharbeitung noch ganz dem Stil des Barock verpflich- tet ist, und vielleicht sogar bewusst in Anlehnung an die geraubte Monstranz gestaltet worden ist. Schneller Ersatz war besonders nötig, da die Monstranz häufi- ger, vor allem in Prozessionen, Brand, Hagelfeier, etc., benötigt wurde. Ein wichtiges Kapitel im Leben der Ge- meinde, aber auch im Bestand des kirch- lichen Schatzes, beginnt mit der Tätigkeit des 1781 in Münster geborenen, und 1805 im Dom zu Münster geweihten Priesters Dr. Johann Heinrich Lohaus, der unmittelbar nach seiner Priesterweihe als „Vicarius primissarius“ und Kaplan nach Alverskirchen kam, hier sieben Jahre Pfarrer Johann Heinrich Borgmann unter- stützte, und nach dessen Tod am 15. Okt- ober 1812 zum Pfarrer von Alverskirchen ernannt wurde. 6 Erst am 01. März 1877, im Alter von 96 Jahren verstarb er und wurde auf dem Kirchhof zu Alverskirchen bestattet. Sein Amtsnachfolger, Pfarrer Hermann Depenbrock, würdigte ihn in der Pfarrchronik wie folgt: „Am 1. März 1877 ist der um die Gemeinde Alverskirchen hochverdiente Pfarrer Dr. Heinrich Lohaus im 96. Jahre seines Lebens, bis dahin vollkommen geistesfrisch, gestor- ben, nachdem er fast 65 Jahre als Pfarrer und davor seit Beginn seines Priester- tums (1805) als Kaplan in der Gemeinde wie ein besorgter und liebevoller Vater segensreich gewirkt hatte.“ 7 Sein langes Wirken in Alverskirchen hat auch im Bestand der Altargeräte und der Kirchenausstattung seine Spuren hinter- lassen, denn in diese Zeit fallen verschie- dene wichtige Renovierungen, Anschaf- fungen (Kanzel 1821, Kirchenbänke 1825, Orgel 1836, Textilien 1830-40), Schen- kungen oder Stiftungen. Darunter finden sich Arbeiten des in Münster nachweis- baren Gold- und Silberarbeiters Johann Bernhard Lohaus (1811-1872, ab 1840 Bürger der Stadt), 8 der nach den For- schungen von Pfr. Dr. Sanchez mit dem Alverskirchener Pfarrer verwandt gewesen sein muss. 9 Seine Widmungsschrift findet sich auf dem biedermeierlich schlichten Tablett der silbernen Pollengarnitur, Was- ser- und Weinkännchen (Kat.-Nr. 7), die auf den 22. November 1837 datiert sind. Überdies stammen von ihm das mit sei- ner Marke und der münsterischen Stadt- marke gemarkte Weihrauchschiffchen (Kat.-Nr. 12), und wohl auch das silberne Weihrauchfass (Kat.-Nr. 11), darüber hin- aus die kleinen silbernen Ölgefäße (Kat.- 16
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